Falco's many Languages - článek v NJ

 

Du wirst ganz naß

Wir hatten es ja immer schon befürchtet: Johann Hölzel war ein Poet. Wie Bob Dylan, mindestens. Jetzt haben wir es auch schriftlich.
Manfred Wieninger über zwei Bücher, die "Falco" als Dichter ehren ... 
   10.03.2010

 

 

Seliggesprochen wurde er schon längst, zumindest von seinen Fans: Johann Hölzel aus Wien-Margareten, Österreichs bisher einziger echter Popstar, der sich mit "Rock Me Amadeus" 1986 drei Wochen lang an der Sitze der US-Billboard-Charts hielt und 1998 in der Dominikanischen Republik - schwer alkoholisiert und höchstwahrscheinlich high - bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam.

Die Elvisierung, ja: Jacksonisierung des Ex-Bassisten der Anarcho-Punkband "Drahdiwaberl" schreitet munter voran. Es fehlen höchstens noch ein ordentliches Falco-Comic oder der Ausbau seiner Villa in Gars am Kamp zum ultimativen Austro-Graceland; tiefschürfende Reminiszenzen von Falcos Friseur, Falcos Schneider und Falcos Barmann dürften auch nicht mehr lange auf sich warten lassen.

Unter dem Stichwort "Falco" listet Google 758.000 deutschsprachige Einträge. In einem Gutteil davon finden sich Wegbeschreibungen zu Falcos letzter Ruhestätte am Wiener Zentralfriedhof (Ehrengräber, Gruppe 40). "Er starb wie James Dean. Auf einer Kreuzung. Der Unfall bleibt mysteriös", heißt es auf der offiziellen Falco-Homepage; und zwar "im Namen von Maria Hölzel", Falcos Mutter. Die geschäftliche Vermarktung verläuft posthum somit erfolgreich.

Daß er ein internationaler Popstar war, ist bekannt. Aber ein Dichter? Nun, vielleicht hat bloß bisher keiner bemerkt, daß seine Songtexte Poesie sind. Eine kleine Gruppe von Germanisten - Wiener Sprach- und Literaturwissenschaftler - leistet hier philologische Pionierarbeit. Zumindest für Österreich. Denn im Gegensatz zur weltweiten Forschergemeinschaft der Anglisten (die etwa Bob Dylans Songtexte längst bearbeitet haben und insgeheim jedes Jahr auf den Literatur-Nobelpreis für ihren Folkrock-Barden warten) sind in unserem Sprachraum allenfalls Schubert-Vertonungen romantischer Autoren kanonisiert; und vielleicht noch ein paar Brecht/Weill-Lieder aus der "Dreigroschenoper".

"Dabei könnte man in gewisser Weise Walther von der Vogelweide durchaus als Singer-Songwriter bezeichnen, auch wenn das dem ersten Anschein nach weit hergeholt erscheint. In seinem Zeitalter hat es keine Lese-Lyrik, wie wir sie heute kennen, gegeben, die enge, geradezu symbiotische Verzahnung von Musik und Text, wie sie auch bei Falco zu finden ist, war die Norm. In meiner engeren Forschungsheimat ab dem 12. Jahrhundert lebt das Gedicht ausschließlich als gesungenes Lied". Erklärt jedenfalls der Mediävist Günter Zimmermann, welcher ebenfalls der losen Wiener Falco-Forschergruppe angehört.

Es war Christian Ide Hintze, Leiter der "Schule für Dichtung", der die Wissenschaftler zur Beschäftigung mit Falcos lyrischem Œuvre animierte; bei ihm durfte Hölzel schon in den 90ern eine Klasse unterrichten (zum gewichtigen Thema "Schreibt Falco Texte? Wenn ja, wie?"). "Falco war sicherlich ein Künstler, der seinen Jandl kannte", meint Hintze heute. Na, wer sagt's denn.

 

Um jene Songtexte aber überhaupt wissenschaftlich bearbeiten zu können, mußten erst editorisch die philologischen Grundlagen dafür geschaffen werden; die meisten der von den Plattenfirmen publizierten Booklets und der im Internet kursierenden Lyrics erwiesen sich nämlich als unvollständig und/oder fehlerhaft.

Mit Falco Lyrics Complete legte der Wiener Germanist Peter Ernst im Vorjahr dann endlich eine geprüfte Ausgabe Falcoscher Songtexte vor - zur Freude der Fans und zur Erbauung der p.t. Leser.

 Dieser Tage folgte nun Falco's Many Languages: ein Sammelband, in dem sich namhafte Sprach- und Literaturwissenschaftler auf verschiedensten Untersuchungsebenen besagten Texten - dem "Falconischen" (© Peter Ernst) - akademisch annähern.

Da ist die Rede von Intertextualität und Vielsprachigkeit, vom Changieren zwischen mehreren Stilebenen, von poetologischen Formen und Methoden und vielem anderem mehr:

"Wie in den epischen Langformen der deutschsprachigen Literatur seit den Achtzigerjahren plötzlich der Antiheld reüssiert, begründet Falco zur gleichen Zeit sozusagen die Antiromanze in seinen Songtexten. Er verwandelt Udo Jürgens' siebzehnjährige blonde Schönheit in dem Song "Siebzehn Jahr'" in ein gerissenes Punkgirl. Den Bruch mit den romantischen Songs konstruiert er durch sprachspielerische Elemente wie zum Beispiel dem Spiel mit der Phrase", weiß etwa die Sprachwissenschaftlerin Christiane M. Pabst zu berichten.

 

Die Buchpräsentation fand in der Kunsthalle Wien am Karlsplatz statt, wobei Österreichs Bildungs- und Kulturministerin Claudia Schmied am Podium sinnigerweise den Songtext "Nie mehr Schule" des einstigen Schulabbrechers Johann Hölzel vortrug.

Dem Falken hätte es wahrscheinlich gefallen; auch wenn die Getränkekarte des Kunsthallen-Cafés nur zwei verschiedene Whiskysorten auflistet.

Lassen wir ihm das Schlußwort, als Probe seiner Kunst:

 

Qulle: www.evolver.at/stories/Falco_Liedtexte/

Kniha k sehnání na: www.amazon.de/Falco%C2%B4s-many-languages-Christian-Hintze/dp/3701731837